Montag, 10. September 2018

Bin ich rechts oder links? Nein, ich bin lechts UND rinks.

Die meisten meiner Kontakte auf Facebook leben in einer beneidenswerten Welt. 
Sie sind entweder links oder rechts.
Ihr Vorteil: Sie ersparen sich unglaublich viel Denkaufwand. Die jeweilige Politik gibt ihnen genau vor, was sie zu glauben und vertreten zu haben und was nicht.
So scheints zumindest.
Wie sonst kann es das geben, dass sie die Ansichten der jeweiligen Seite so treu wiedergeben und vertreten? Und zumeist nicht hintefragen?

Flüchtlinge - gut oder schlecht. Klare Unterscheidung. Egal, was diese Flüchtlinge tun oder lassen. Die Rechten ignorieren die vielen positiven Dinge, die Linken die Verbrechen. Ich sehe die guten Dinge, links, und sehe die Verbrechen, rechts.

In Chemnitz hat es entweder Hetzjagden gegeben oder nicht. Je nachdem, ob links oder rechts. Beweise? Brauchen wir nicht. Beweisen, dass es irgendetwas nicht gibt ist sowieso unmöglich. Man kann nur positive Beweise führen, also dass es sie gegeben hat - wenn es so war, aber das ist eben nicht bewiesen. Also ist für mich beides möglich.

In Chemnitz werden sogar Trauernde nach rechts oder links geschoben, weil sie trauern. Das ist zu betrauern.

Aus irgendeinem Grund habe ich es noch nicht auf eine der beiden Seiten geschafft. Deswegen ist meine Welt mühevoll kompliziert.
Ich muss viel Rechercheaufwand betreiben, mir Parteiprogramme durchlesen, den Migrationspakt, die IPCC Berichte ... weiter als bis zum Brett vorm Kopf denken. Da muss ich oft harte Bretter bohren.

Oft suche ich nach irgendeinem aktuellen Begriff und setze das Wort "Kritik" dazu. Da liest man sehr oft eine andere Seite.

Wer soll sich da noch auskennen? Was ist nun wahr und falsch?

Was soll ich glauben?

Da hilft mir eine meiner Eigenschaften: Ich bin Agnostiker. Nein kein Atheist, Agnostiker.
Für mich gibt es keine Wahrheit. 
Für mich gibt es Annahmen, die mehr oder weniger "glaubwürdig" sind, aber ich werde nie etwas für "wahr" halten.

Ich sage mir immer wieder vor:
Consider they are right.
Consider I am wrong.

 Das hilft, den eigenen Standpunkt zum Horizont zu erweitern.

Aber zurück zum Thema, links oder rechts.
Da für mich alles wahr oder falsch sein kann, kann ich mich ja auch keine Seite restlos überzeugen.
Dennoch habe ich eine Meinung, und die tue ich kund. Das ist meine Seite als politischer Aktivist.

Ich bin gegen Gewalt: Links. Aber nicht grundsätzlich, manchmal braucht man sie, da bin ich fürs Gewaltmonopol des Staates. Die Libertären jaulen dann sofort auf. 

Ich bin für eine geregelte Einwanderungspolitik mit eindeutigen Obergrenzen. Das ist rechts.
Ich bin dafür, Statistiken der Polizei nicht zu verschweigen und den Anteil der Asylwerber und Ausländer nicht zu verschweigen. Ui, jetzt wirds sehr rechts, das ist Hetze.

Ich bin für starke Sozialleistungen ... links ... und gegen das bedingungslose Grundeinkommen. Das ist ultrakonservativ

Ich werde daher von beiden Seiten kritisiert. Die Rechten schimpfen mich linksversifft, die Linken ... naja, grad dass sie mich nicht Nazi schimpfen.

Edit 2021: Vor einiger Zeit bin ich in die Nähe von Antisemitismus gerückt worden, weil ich jemanden gepostet habe, der von jemandem als Antisemit diffamiert wurde. Und weil ich mich dafür einsetze, dass alle, die nicht gegen Gesetze verstoßen, auch demonstrieren und ihre Mienung kundtun dürfen. Das ist schon ziemlich nazi.

Ich habe die Entfreundungswelle nicht mitgemacht. Die Politik der Spaltung hätte sonst über mich gesiegt. Denn wenn man aufhört, zu kommunizieren, dann hat man dem Konflikteskalationsturbo Futter gegeben.
Ich will die Rechten, ja sogar die Rechtsextremen verstehen, ich will die Linken, auch die Linksextremen verstehen.

Und für alle, die offensichtlich mit der Gabe der Nichtdifferenzierung gesegnet sind:

Verstehen wollen ist nicht zustimmen!

Hinterfragen ist nicht ablehnen.

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